In der aktuellen Ausstellung in der Galerie Widauer präsentiert Peter Kogler neue Werke, die auf essenziellen Säulen einer vernetzten Welt beruhen. Sein künstlerisches Konzept basiert auf der Tatsache, dass die Welt ein System der Durchdringung, der Transformation von Informationen und der Manifestation des Räumlichen ist. Auf subtile Weise vereint der Künstler archetypische Objekte des Transformativen wie das menschliche Ohr oder das Gehirn mit modernster digitaler Kommunikationstechnologie. Das Gehirn ist ein unglaublich komplexes Organ mit Milliarden von Nervenzellen und Kontaktpunkten. Es ist die Grundlage unserer Wahrnehmungs- und Denkprozesse. Zudem regelt es alle Gefühlsempfindungen. Diese zentrale Rolle wird auch dadurch gefestigt, dass es in der Lage ist, neue Informationen im Sinne eines Lernprozesses umzusetzen. Auch das Ohr ist ein faszinierendes Organ. Es nimmt Schallwellen auf und wandelt sie in einem komplizierten Prozess in Impulse um, die unmittelbar mit dem Gehirn verknüpft sind. Dies bezieht sich auf jegliche Form des Inputs, sei es Sprache, Musik oder jede andere Form von Geräusch. Beide Organe fungieren in gewissem Sinn als Transfermedien. Sie setzen Informationen in Bedeutung um. Im Grunde strebt die moderne Kommunikationstechnologie nach der Perfektion jener menschlichen Organe.
Gleichsam wie eine Membran, die jene Transferleistungen widerspiegelt, erscheint der Vorhang, welcher den Galerieraum in ein Davor und Dahinter teilt. Wir nehmen ihn wahr, treten durch ihn durch und durchqueren in einem ganz wörtlichen Sinn jene sichtbare Ebene der Information. Visuell geht dieser Schritt mit Koglers charakteristischem Geflecht aus Lineaturen einher, welches jene vernetzte Welt verkörpert, wie sie etwa in allen Komponenten elektronischer Systeme vorkommt. Die Welt als Vernetzung, versinnbildlicht durch menschliche Organe und die Undurchdringlichkeit elektronischer Leitsysteme.
Bei Kogler werden jene komplexen Schichtungen der Vernetzung auch in einem anderen Lebewesen ikonisch manifestiert. Schon immer faszinierte den Künstler die wohl analysierte und doch immer noch so geheimnisvolle Welt der Ameisen. Ein paar Stichworte mögen hier die Komplexität jener Lebewesen illustrieren: Wir sprechen in Analogie zum Menschen von einem Ameisenstaat mit Arbeitern, Männchen und Weibchen. Die Arbeiter sind flügellos. Bei einem durchschnittlichen Körpergewicht von etwa zehn Milligramm sind sie in der Lage, das Vierzigfache ihres Gewichts zu tragen. Die Kommunikation untereinander basiert auf chemischen Prozessen. Die Pheromone steuern das Sozialverhalten und die Verständigung.
In der Ausstellung präsentiert Peter Kogler die Ameise, aber auch andere ikonographische Elemente der Vernetzung und Weltschaffung als digitalisierte, aktuelle und hochkomplexe Einzelobjekte, die in ihrer digitalen Farbigkeit und modernen Konstruktionsweise als Digitalprints auf Alucore Ikonen unserer vernetzten Welt sind.
Bei Kogler sieht man auch den völlig neu definierten Begriff der Ikone, der sich von der ursprünglichen Bedeutung im Sinne von Heiligendarstellungen über die Verwendung in der Linguistik (vor allem der Semiotik) oder der Bedeutung in der Pop Art etwa bei Andy Warhol grundlegend verändert. Von der Bedeutung als allgemein bildhaftes Element steht der Begriff heute als symbolhaft bildliches Element digitaler Bezugssysteme. Die Welt wird bei Kogler auf eindringlich verdichtete Weise sichtbar als System des Transformativen, der Schichtungen und Verflechtungen, welche die Grundlage unserer physischen Welt bilden. Die komplexen Funktionsweisen jener ikonenhaften Organe, Lebewesen, oder Symbole bedingen die reale Existenz der Kommunikation, des Zusammenlebens oder Informationsflusses. Welches Gebilde als Teil der Koglerschen Ikonographie wäre besser geeignet, jene Komplexität des menschlichen Seins physisch widerzuspiegeln, durch die bloße Präsenz das Geheimnis jeglichen Seins zu offenbaren als jenes verkleinerte, kugelförmige Modell der Erde, der Globus?
Und so gewährt Peter Kogler mit seinen nur vermeintlich einfachen Gebilden einen umfassenden, digitalen Blick in existenzielle Bedingungen unserer Existenz.
Gaby Gappmayr 2023