Einprägsame Nachbilder im Wald der Zeichen

Edelbert Köb, 2000

Kaum ein Künstler der jüngeren österreichischen Kunstgeschichte hat uns visuelle Botschaften von solch formaler Autonomie, Eigenart, Eindringlichkeit und Unverwechselbarkeit übermittelt wie Peter Kogler. Er hat damit unsere Erfahrung bereichert und Nachbilder erzeugt, die tief im Gedächtnis haften bleiben. Das ist eine nicht genug zu schätzende Leistung, wenn wir davon ausgehen, dass Originalität bzw. ästhetische Differenzierung eines der vorrangigen Ziele einer jeden künstlerischen Arbeit ist. Diese Leistung wird auch dadurch nicht geschmälert, dass sich die Arbeit primär an die Irritation der Wahrnehmung richtet. So gesehen ist es geradezu bewundernswert, dass Koglers Bildsprache sich auch in der Konkurrenz mit der überbordenden Fülle der Zeichen behauptet, die uns in einer wirtschafts- und mediendominierten Welt bedrängen – besonders da sich diese Bildsprache lediglich aus einigen wenigen Grundmodulen und Symbolen konstituiert, die einer jedermann zugänglichen Computersoftware entnommen sind.
Für einen Künstler dieser Generation stellt sich nicht mehr die Frage nach der von Marinetti geforderten – ästhetischen und ideologischen – Entscheidung zwischen der Nike von Samothrake und einem Automobil. Im Gegensatz aber zur euphorischen Technik- und Fortschrittsgläubigkeit der Futuristen ist Koglers Faszination, die rasante Entwicklung der Medien betreffend, nach den Erfahrungen des letzten Jahrhunderts naturgemäß mit einem gewissen Skeptizismus verbunden. Seine computergenerierten Bildwelten sind nicht optimistisch affirmativ und haben nichts mit den bunten und verwirrenden Spielereien der ersten Generation von Computerkünstlern gemein. Die in der Regel in strengem Schwarzweiß gehaltenen, in ersten Schritten hieratisierten und monumentalisierten modularen Elemente entwickeln, in der Folge oftmals mutierend, ein geradezu beunruhigendes Eigenleben. Sie überwuchern Körper und Wände, dekonstruieren Räume und Architekturen, irritieren unsere Wahrnehmung und sind auf verschiedenen metaphorischen Ebenen Statements zum Zustand unserer Welt.

Sein scheinbar formalistischer Ansatz erweist sich so immer wieder als ambivalent. Das Werkzeug Computer dient ihm offensichtlich als Filter, der es sowohl erlaubt, Themen, die durch pathetische und missbräuchliche Verwendung suspekt geworden sind, wieder mitschwingen zu lassen, als auch neue Formulierungen für sie zu finden. Kogler nimmt auch unter jener Gruppe österreichischer Künstler eine Sonderstellung ein, die sich erstmals konsequent international orientierte und für deren Arbeit Duchamp, Minimal-Art, Konzeptkunst und Pop-Art die wesentlichen Bezugspunkte waren. Unter diesen ist er wohl der »amerikanischste«, wofür nicht nur ein Studienaufenthalt in den USA – inzwischen ein Muss für jeden Jungkünstler – ausschlaggebend gewesen sein dürfte. Nachdem es bereits den Malern der New York School um nichts weniger gegangen war, als sich von den europäischen Traditionen zu lösen, lag es für einen jungen österreichischen Künstler, der Vergleichbares, Ambitioniertes vorhatte, nahe, diesen (bereits historischen) Diskurs zum Ausgangspunkt seiner Arbeit zu machen, einen Diskurs, der noch dazu für vorerst fünfzig Jahre zu einer Suprematie der US-amerikanischen Kunst geführt hatte.
Von der Malerei kommend, übernahm Kogler zuerst die Tendenz zum großen Format, die Tendenz zum Farb- und Formkontinuum, das die ganze Bildfläche füllt, und die Ablehnung herkömmlicher Kompositionsprinzipien: das Bild im Sinne Pollocks als kompaktes, nach allen Seiten hin offenes Feld (»all over«), das theoretisch und praktisch ad infinitum fortgesetzt werden kann. Dieses Prinzip sollte später zum zentralen Inhalt seiner Arbeit werden.

Der Reinigungsprozess, dem sich die US-amerikanische Kunst unterzogen hatte, war ein radikaler. Kogler ist einer der wenigen europäischen Künstler, der die Entmystifizierung und Austreibung falscher Gläubigkeit aus der Kunst wirklich konsequent nachvollzogen hat. Dazu gehört auch die Neigung zur Vermischung von »high« und »low« als Ausdruck eines Lebensgefühls, das vom Bedürfnis intensiver Teilnahme an dieser Welt, am Miterleben und Mitgestalten bestimmt ist. Seine daraus resultierende, existentiell wache Haltung, emotional und doch kontrolliert, sachlich und angemessen im Ausdruck, ist fern jeder Form des l’art pour l’art, fern spekulativer Provokation und intellektueller Selbstbespiegelung. Seine Kunst hat das Direkte, die Frontalität, das Herausfordernde, das Format und das Selbstbewusstsein, das der Minimal-Art-Künstler Donald Judd in einem Text als »Signifikanten der amerikanischen Kunst der sechziger Jahre« bezeichnet hat. Peter Koglers Arbeit ist keine Variante dieser Kunst, sondern eine höchst eigenständige Schöpfung, aus einer verwandten geistigen Haltung resultierend.

Wie sich Pop-Art aus dem Fundus der Warenästhetik bedient, bedient er sich aus jenem der Medienästhetik, nutzt er die Verfügbarkeit vorfabrizierter Muster, Zeichen und Symbole. Wie die Amerikaner zieht er aus Duchamps Readymade keinen formalen, sondern einen produktionstechnischen Schluss, nimmt sozusagen dessen Angebot auf Befreiung der Kunst von der Arbeit an und bezieht ihr Kunstmaterial gebrauchsfertig und anwendungsfreundlich von der Industrie. Insofern könnte man diese Vorgangsweise auch als Nobilitierung des Banalen bezeichnen, die wie Pop auf jeden ästhetischen Erziehungsanspruch verzichtet, einfach als eine kreative Bestätigung dessen, was unter den Bedingungen der neuen Technologien möglich ist. Kogler gehört damit auch in die lange Reihe der Künstler des 20.Jahrhunderts, deren Anliegen es ist, eine Neubestimmung des Verhältnisses von Kunst, Technik und Leben vorzunehmen.
Zieht man die erwähnten Bezugspunkte seiner Kunst in Betracht, verwundert es nicht, dass Peter Kogler in einer verkürzten Rezeption auch als die Verkörperung des »Coolen«, als der Meister glatter und perfekter »Surfaces«, gesehen wird. Nun ist aber Kunst das Metier feiner Differenzierungen und nicht das plakativer Simplifizierungen. Koglers Methode der Aneignung von Realität bzw. ihre Transformation in der Kunst ist nämlich, genau besehen, von höchster Komplexität. Ausgehend von einer strategischen Positionierung im Sinne Burens und der bewussten Beschränkung auf eine emblematische Sprache mit wenigen Zeichen und großer formaler Prägnanz, entwickelt er ein intelligentes, vielschichtiges System von Anwendungen mit zahlreichen Referenzen. Dieses System ist letztlich unideologisch und offen, es erlaubt ihm die Teilnahme am Diskurs des beinahe ganzen Spektrums der Problemstellungen heutiger Kunst.
Koglers internationale Erfolge und nationale Anerkennung – letztere nicht frei von Vorbehalten, die aus seiner »Fremdheit« im Kontext lokaler Traditionen resultieren – begründen sich aus der unproportionalen und einseitigen Wahrnehmung seiner zahlreichen spektakulären Raumgestaltungen, weniger der Videoprojektionen als vor allem der Tapetenarbeiten, die zu seinem »Markenzeichen« geworden sind. Es war deshalb die ursprüngliche Intention der Ausstellung im Kunsthaus Bregenz, einmal die ganze inhaltliche und mediale Breite und Vielfalt seines Werkes wie auch die innere Logik dieser Entwicklung in einer Art Retrospektive darzustellen. Die Auseinandersetzung des Künstlers mit der Architektur des Kunsthauses führte aber letztendlich zu einer Reduktion der Exponate zugunsten eines exemplarischen Zusammenwirkens von Kunst und Architektur. Trotzdem ist in Bregenz erstmals ausschnitthaft eine repräsentative Zusammenschau wichtiger Arbeiten aus allen seinen Themenbereichen und Werkgruppen realisiert.